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Kommentar zum Elternbrief: Keine Smartphones für Fünftklässler

Im Wiesbadener Kurier erschien am 09.01.2017 folgender Gastkommentar von mir zum Smartphone-Elternbrief an alle Grundschulen, der sich mit den Einwänden gegen die Botschaft dieses Schreibens auseinandersetzt. Kritikern ist meist nicht bewusst, dass Einschränkungen, Regeln und Altersgrenzen bei der Mediennutzung einerseits und die Vermittlung von Medienkompetenz andererseits sich keineswegs widersprechen, sondern vielmehr untrennbar zusammengehören. Dasselbe gilt auch für Handyregelungen an Schulen, die ich bewusst nicht als „Handyverbote“ bezeichne, weil sie nicht die Nutzung digitaler Geräte als Arbeitsmittel im Unterricht einschränken und Handys pauschal verbieten, sondern die beliebige, private Nutzung durch Schülerinnen und Schüler inner- und außerhalb des Unterrichts reglementieren.

Smartphone lieber erst ab 14 Jahren

Anfang Dezember verteilte ich in meiner Funktion als Fachberater des Staatlichen Schulamts einen Elternbrief (www.medien-sicher.de/?p=3549) an alle Grundschuleltern in Wiesbaden und im Rheingau-Taunus-Kreis. Kernaussage: Die Schulleitungen der weiterführenden Schulen halten es nicht für sinnvoll, dass Kinder Smartphones besitzen! Dass der Abstimmungsprozess zwischen der Amtsleitung und allen Schulen keine Woche dauerte, belegt die Brisanz dieses Themas: Viele Schulleitungen berichten, dass sie fast täglich mit WhatsApp-Krisen u.ä. zu tun haben!

Das Smartphone-Einstiegsalter sinkt so rasant, dass wir uns inzwischen Gedanken um Medienelternabende in KiTas machen müssen – kein Scherz! Vielen Eltern scheint nicht klar zu sein, dass ein Smartphone kein simples Telefon/Kinderspielzeug ist, sondern ein internetfähiges Mininotebook, das Kindern die Tür zur Erwachsenenwelt komplett öffnet. Würden zahllose Kinder mit SIM-Card-bestückten Notebooks plus Flatrate herumlaufen, wenn es keine Smartphones gäbe?

Argument 1: „Es haben doch alle eins!“ Das stimmt nicht, aber inzwischen stattet eine deutliche Mehrheit ihre Kinder spätestens zur 5. Klasse mit Smartphones aus – allerdings gibt es in der Geschichte genügend Belege dafür, dass eine Mehrheit nicht zwangsläufig richtig liegt. Paradox am aktuellen Trend ist, dass mittlerweile so viele Eltern der ältesten Kinderlüge der Welt aufgesessen sind, dass die Übertreibung allmählich zur Realität wird. An meiner Schule warf kürzlich ein Fünftklässler, in dessen Klasse nur 9 Kinder ein Smartphone haben, seiner Mutter unter Tränen vor, er sei der Einzige ohne…

Argument 2: „Ich vertraue meinem Kind!“ – Selbstverständlich! (Obwohl es andere Kinder geben soll, die gelegentlich die Wahrheit großzügig zu ihren Gunsten interpretieren…) Aber können wir auch den zahllosen schrägen Gestalten vertrauen, denen Kinder online begegnen, und denen sie alleine nicht gewachsen sind? Für Pädophile z.B. ist es im Netz kinderleicht, zu Kindern Kontakt aufzunehmen, die leichte Beute sind, wenn sie darüber nicht fundiert aufgeklärt wurden. Wer mit diesem Thema zu tun hat, weiß, dass Pädokriminelle im Netz eine wahre Heuschreckenplage sind.

Argument 3: „Kinder müssen lernen, mit dem Internet umzugehen.“ Richtig, aber bitte unter elterlicher Anleitung! Begleitetes Fahren ab 17 ist ein Erfolgsmodell, und Internetnutzung muss ebenso behutsam vermittelt werden wie der Umgang mit Werk- und Fahrzeugen, das funktioniert prima am Familien-PC oder -tablet. Mit Smartphones gibt es keine funktionierende Balance zwischen Vertrauen und Fürsorge: Chats der Kinder mit Freunden gehen Eltern nichts an, problematische Kontakte, Inhalte und Apps dagegen sehr viel. Und durch einen Mix aus Scham und der Angst, die Eltern könnten das Smartphone wegnehmen, erfahren diese von üblen Erlebnissen meist nichts bzw. zu spät, um noch rettend eingreifen zu können.

Wer nicht Russisch Roulette mit der Psyche seines Kindes spielen will, sollte ihm ein eigenes Smartphone erst überlassen, wenn es damit selbständig klar kommt. Meine Erfahrung an ca. 150 hessischen Schulen zeigt, dass dieses Alter bei ca. 14 Jahren liegt, aber auch dann sind noch viele Gespräche und klare Regeln notwendig. Man verpasst bis dahin (außer unnötigem Stress) gar nichts und CEO eines IT-Konzerns kann man dennoch werden.

 

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