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Die Relativitätstheorie in der Medienerziehung

Elternabend „Pubertät 2.0 – Einblick ins digitale Kinderzimmer“ in einem Gymnasium. Es wurde schriftlich und sehr eindringlich formuliert eingeladen und ein Rücklaufzettel eingesammelt. Der Raum ist mit ca. 120 Eltern prall  gefüllt, es müssen noch zusätzliche Stühle herbeigeschafft werden. Das ist schön für mich als Referenten, ein voller Raum macht deutlich mehr Spaß als leere Stuhlreihen und die Anwesenden sind zwei Stunden lang sehr interessiert und aufmerksam dabei.

Nun zur Relativität: Eingeladen wurden die Eltern der Klassenstufen 5 bis 7, in denen sich ca. 600 Kinder finden. Wir bewegen uns also in einer Größenordnung von bestenfalls 20 % Teilnahme, etliche Ehepaare, die gemeinsam gekommen sind, muss man noch abziehen. Das ist nicht nur an dieser Schule der Fall, sondern fast überall, und oft liegt die Teilnahmequote auch nur bei 5-10 %, als entscheidender Faktor hat sich hier der Bildungsstand der Eltern erwiesen. Und leider fehlen in der Regel genau diejenigen Eltern, die eine solche Veranstaltung am meisten gebrauchen könnten.

Nur an meiner eigenen Schule (Gutenbergschule Wiesbaden) kommen wir auf ca. 90 % Teilnahme, weil sich das Thema dort seit 10 Jahren etabliert hat und der Schulelternbeirat den Medienelternabend für die fünften Klassen mit einstimmigem Votum zur Pflichtveranstaltung erklärt hat. Entsprechend wenige Probleme haben wir in Sachen Mediennutzung, „nur“ 51 % unserer aktuellen Fünftklässler besitzen ein Smartphone, in keiner der fünften Klassen gibt es eine WhatsApp-Gruppe. In Relation zu anderen Schulen stehen wir damit sehr gut da, trotzdem sind mir 51 % deutlich zu viel.

Erstaunlich und immer schwerer nachvollziehbar finde ich, dass man einerseits so gut wie keine Eltern findet, die nicht über Probleme und Familienstress in Sachen Smartphone berichten und sich Hilfe wünschen, aber anderseits so wenige dann die Angebote nutzen und einen solchen Elternabend besuchen. Auch die zahlreichen ausgezeichneten Websites zu diesem Thema sind vielen Eltern auf Nachfrage nicht bekannt.

Auf meiner eigenen Website ist seit Monaten die Rezension der Kinderschutz-App „Screen Time“ der mit Abstand meistgelesene Beitrag. Das ist zum einen erfreulich, weil es zeigt, dass viele Eltern sich bemühen, mit dem Thema klar zu kommen. Doch auch das muss man relativieren, denn mit einer rein technischen Lösung lässt sich dieses Thema nicht in den Griff bekommen. Medienerziehung ist eine Daueraufgabe, sie ist anstrengend, man muss Regeln vereinbaren, konsequent auf deren Einhaltung achten und sich auch ab und zu mit einem klaren „NEIN!“ bei seinem Kind vorübergehend unbeliebt machen. Es gibt keine Technik und keine Software, die Eltern dieses Thema abnehmen kann, sie kann lediglich Eltern, die sich mit damit intensiv befassen, ein wenig unterstützen, das aber auch nur bis zum Alter von 12/13 Jahren. Die Internetnutzung von Jugendlichen mithilfe von Jugendschutz-Apps und Filtersoftware kontrollieren zu wollen, ist reine Illusion, alle Sperren dieser Art lassen sich kinderleicht aushebeln. Wie das funktioniert, erklären zahllose Tutorials auf Youtube…

Der einzig wirksame Ansatz zu einer erfolgreichen Medienerziehung besteht darin, sich zu informieren, Hilfsangebote wahrzunehmen und mit seinen Kindern immer wieder über das Thema zu sprechen – aber bitte nicht jeden Tag über längst vereinbarte Regeln diskutieren. Wer von seinem Kind ernst genommen werden möchte, muss auch ein gewisses Durchsetzungsvermögen aufbringen.

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