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Umgang mit anonymen Mobbingplattformen

UPDATE: Am 27.01. haben die Betreiber die Seite vom Netz genommen, kündigen aber an, auf einen leistungsstärkeren und sichereren Server umzuziehen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

Update: Die Seite ist seit dem 11.02. auf einem schwedischen Server wieder online, hat aber weiterhin große technische Probleme und ist weitgehend inaktiv.

Cybermobbing hat den nächsten Level erreicht. Es gibt eine neue Plattform gegen die bekannte Online-Communities wie SchülerVZ und Facebook völlig harmlos erscheinen.

WICHTIGER HINWEIS: Sollten Sie von Medienvertretern kontaktiert werden, bestehen Sie darauf, dass in jeglichen Berichten die Nennung der Adresse dieser Plattform unbedingt unterbleiben muss, um der Verbreitung nicht auch noch Vorschub zu leisten!

Seit Mitte Januar hat sich unter Schülerinnen und Schülern im Rhein-Main-Gebiet, ausgehend von Frankfurt, in Windeseile die Existenz einer neuen Website herumgesprochen, auf der man ohne jegliche Registrierung anonym über Mitschüler und Lehrkräfte hetzen kann, wozu vom Betreiber der Seite unverblümt aufgefordert wird. Zahllose Beiträge liegen demzufolge weit über der Schmerzgrenze und bedienen sich überwiegend der Fäkal- und Sexualsprache auf unterstem Niveau. Insbesondere Mädchen sind Ziel von Beleidigungen und übler Nachrede, Kommentare über sie werden zum Teil sogar gezielt in den Bereichen sämtlicher dort eingetragener Schulen platziert. Häufig werden Vor- und Nachname sowie Klasse genannt und z.B. darüber diskutiert, wer welche sexuellen Praktiken am besten beherrscht. Manche Mädchen wurden dadurch stadtweit etwa als „größte, versoffenste Schlampe von …“ diffamiert. Diese Texte erscheinen auch bei Namenssuchen in den bekannten Suchmaschinen auf der ersten Ergebnisseite – die negativen Auswirkungen auf Bewerbungen liegen auf der Hand!

Der offensichtlich deutsche Seitenbetreiber umgeht bewusst die deutsche Gesetzgebung, gibt als Adresse den Firmensitz einer Online-Mailbox in Neuseeland an und garantiert den Nutzern vollständige Anonymität. Die Seite selbst liegt auf Servern des US-Providers BurstNet, der u.a. bei jugendschutz.net im Zusammenhang mit Abzocke aufgefallen ist. Eine Abschaltung der Webseite ist nach Auskunft von jugendschutz.net in Mainz zur Zeit wegen nichtvorhandener medienrechtlicher Verstöße nicht möglich. Das Unternehmen in den USA wurde jedoch angeschrieben und gebeten, die Seite wegen Verstößen gegen seine allgemeinen Geschäftsbedingungen („keine beleidigenden oder belästigenden Inhalte“) zu löschen. Zudem wurde der Fall auch an die Landeskriminalämter abgegeben.

Eine Strafanzeige bei der Polizei kann natürlich erstattet werden, die Ermittlungen werden zwangsläufig gegen unbekannt geführt. Hilfreich ist hier der Hinweis an alle telefonisch ratsuchenden Eltern oder Lehrkräfte, dass man im Internet über die Online-Wache Strafanzeige erstatten kann, die eingehenden Anzeigen wegen Beleidigung werden im Rahmen eines Sammelverfahrens bearbeitet. https://onlinewache.polizei.hessen.de

Die Beiträge auf dieser Plattform sind nach Regionen und Schulen geordnet und es wurden bis zum 22.01. täglich mehr! Seitdem ist die Seite glücklicher Weise ganz offensichtlich technisch überfordert, so dass Neueinträge fast unmöglich geworden sind. Zurzeit lässt sich aber nicht sicher prognostizieren, wie lange sich diese Plattform hält und ob die Betreiber, aller Wahrscheinlichkeit nach selbst noch Schüler, sie technisch aufrüsten werden. Die Zahl der maximal anzeigbaren Posts wurde bereits von 100 auf 60 und dann auf 40 reduziert, ohne dass sich an den technischen Problemen etwas geändert hätte. Zum Glück sind dadurch viele üble Einträge nun nicht mehr aufrufbar.

Sollte die Seite doch wieder in Schwung kommen oder ähnlich gelagerte auftauchen, greifen folgende Empfehlungen:

  1. Auf keinen Fall auf Postings antworten, jede noch so gut gemeinte Reaktion, auch die gefällt-mir-nicht-Buttons, bringt den Eintrag unweigerlich in der Liste weiter nach oben.
  2. Stattdessen möglichst viele Freunde animieren, die Seite mit sinnlosen Neueinträgen zu fluten, dann verschwinden die Pöbeleien aus dem 40er Bereich und können nicht mehr aufgerufen und kommentiert werden. Vorschlag: Artikel aus Wikipedia kopieren und einfügen.
  3. Schüler sollen versuchen, sich als Moderatoren anzumelden. Sie haben dann die Möglichkeit, neue Postings nicht freizuschalten und Kommentare zu löschen. Auf bereits veröffentlichte Postings haben Moderatoren allerdings keinen Zugriff mehr.
  4. Informieren Sie Schulelternbeirat und Kollegium. Insbesondere die Eltern sind in der Pflicht, mit ihren Kindern über die möglichen fatalen Konsequenzen von Cybermobbing, bis hin zu Suizid und Amoklauf, zu sprechen.
  5. Die beteiligten Schüler gehören überwiegend den Klassenstufen 7-10 an. Diesen Schülern müssen sowohl die möglichen privat-, straf- und schulrechtlichen Konsequenzen (Beleidigung, Verleumdung, üble Nachrede, Schulverweis) sowie die verheerende Wirkung solcher Einträge auf die Opfer vor Augen geführt werden. Einige Schulen hatten Erfolg mit der Maßnahme, freiwillig geständigen Tätern eine geringere Strafe anzubieten, von der Schule bzw. Polizei ermittelte dagegen von der Schule zu verweisen, wodurch sich etliche Täter gestellt haben.
  6. Ausgezeichnetes Unterrichtsmaterial zum Umgang mit dem Problem Cybermobbing findet sich bei Klicksafe unter https://www.klicksafe.de/materialien
    Dieser unerfreuliche Vorfall zeigt deutlich auf, wie wichtig präventive Arbeit in diesem Bereich ist. An Schulen, die nachhaltig und flächendeckend daran arbeiten, war der „Einschlag“ der Seite ungleich geringer, wenngleich auch nicht komplett harmlos.

Für weitere Fragen, Informationen und Hilfen stehe ich gerne zur Verfügung.

Günter Steppich

Am 27.01. haben die Betreiber die Seite vom Netz genommen, kündigen aber an, auf einen leistungsstärkeren und sichereren Server umzuziehen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

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