AllgemeinElternLehrerSchüler

Zum Nutzen digitaler Medien in der Schule

Dieses Thema wird seit Jahren zunehmend kontrovers diskutiert, wobei sich die Extrempositionen in ihren ideologischen Festungen eingegraben haben und zu sachlicher Diskussion oft gar nicht mehr bereit bzw. in der Lage sind. Dabei kann die Frage, ob digitale Medien im Unterricht schaden oder nutzen, überhaupt nicht grundsätzlich und allgemeingültig beantwortet werden, denn es kommt wie bei vielen anderen Themen („Ist Sport gesund?“) im Einzelfall darauf an, welches Medium von wem und wofür eingesetzt wird, und wie es hinsichtlich des technischen Supports aussieht.

Ein im Unterricht verwendetes Medium kann immer nur so gut/hilfreich oder schlecht/nutzlos sein wie derjenige, der es einsetzt. Auch wirre Kreidetafelbilder können eine verheerende Wirkung erzielen.

Es gibt beispielsweise =>zahlreiche Studien, die zeigen, dass der Einsatz von PowerPoint (oder anderer Präsentationssoftware) die Wirkung und den Lerneffekt von Vorträgen beeinträchtigt. Wenn man sich die Mehrzahl der powerpointgestützten Vorträge ansieht, ist diese Erkenntnis auch wenig überraschend: PowerPoint ist eine einzige Katastrophe, wenn der Vortragende nicht weiß, wie man es effektiv einsetzt, und das ist bei der Mehrheit der Vortragenden der Fall. Wer sich davon überzeugen will, muss sich nur einmal in ein paar Vorlesungen an einer beliebigen Universität setzen. Teilweise wird hier der Begriff „Vorlesung“ sogar wörtlich interpretiert, indem umfangreiche Texte von der Projektion schlicht abgelesen werden. Von wilden Animationen und mit kryptischen Statistiken überfrachteten Folien ganz zu schweigen.

Eine kompetent erstellte Präsentation kann dagegen mit gezielt eingesetzten Visualisierungen das gesprochene Wort wirkungsvoll ergänzen und unterstützen, denn das Gehirn kann sich Inhalte besser merken, die mehrere Sinneskanäle ansprechen. Besucher meiner Vorträge sprechen mich manchmal noch nach Jahren auf bestimmte Bilder oder Videos an, die ihnen im Gedächtnis geblieben sind. Das Wichtigste an einem Vortrag ist und bleibt aber der Referent, Medien können ihn dabei gezielt unterstützen, aber niemals zum Selbstzweck werden.

Schulen in Deutschland werden von den Schulträgern zunehmend mit digitaler Hardware ausgestattet, aber dass es entsprechende fachspezifische Fortbildung braucht, damit ein Mehrwert herauskommt, ist in den Köpfen der Verantwortlichen immer noch nicht angekommen. Dabei müsste man dazu nur die Schüler befragen, denen das längst klar ist. Einhelliges Schülerfazit eines Tabletprojekts an meiner Schule: „Bei den Lehrern, die sich damit auskennen, bringt es etwas, bei den anderen ist es Zeitverschwendung!“ Verhindernd kommt dazu, dass die Schulträger, also die Gemeinden, Kreise, Städte, für die materielle Ausstattung und damit v.a. auch für den technischen Support zuständig sind, für die (medien-)pädagogische Lehrerausbildung dagegen die Kultusministerien. Und weil da nicht an einem Strang gezogen wird, ist der Mehrwert digitaler Medien in den Schulen aktuell sehr überschaubar, zwar nicht immer und überall, aber definitiv überwiegend.

Wenn Lehrkräfte, in deren Ausbildung Medienpädagogik auch 25 Jahre nach der Einführung des Internets immer noch kein Pflichtinhalt ist, nicht gezielt fachspezifisch daran fortgebildet werden, sind z.B. digitale Whiteboards nichts anderes als übergroße Bildschirme, an denen gelegentlich Präsentationen und Videos gezeigt werden. Unter dem Strich steht dann v.a. eine gigantische Geldverschwendung, denn diese Geräte müssen nicht nur angeschafft, sondern auch professionell gewartet werden. Das Sparkonzept, den Support durch engagierte Lehrkräfte leisten zu lassen, die sich dafür autodidaktisch fit machen und wenig bis keine Entlastung dafür erhalten (während in jeder Firma für ~100 Geräte ein hauptamtlicher Administrator beschäftigt wird), ist längst gescheitert, ohne dass diesbezüglich ein Umdenken eingesetzt hätte. => Lesetipp dazu in der SZ…

Und last but not least sind Lehrkräfte in Deutschland eine Berufsgruppe, die schon immer durch unterdurchschnittliche Technikaffinität gekennzeichnet war: Früher kämpften sie mit Filmprojektoren, heute mit digitalen Bildschirmmedien – natürlich nicht alle, aber doch sehr viele, und das betrifft leider auch die nachwachsende Generation. Das belegen aktuelle Studien wie die von Ralf Biermann, 2009, „Der mediale Habitus von Lehramtsstudierenden“.

Wer dagegen ein digitales Whiteboard virtuos bedienen kann (z.B. Tafelbilder abspeichern und in der nächsten Stunde wieder abrufen oder an die Klasse zur Weiterbearbeitung versenden, fachspezifische Software/Websites einsetzen, etc.), kann einen deutlichen Mehrwehrt gegenüber konventionellen Tafeln erzielen und den Unterricht damit interessanter, abwechslungsreicher und interaktiver gestalten. Zudem muss man auch technisch für kreative Manipulationsversuche der SchülerInnen gewappnet sein: Einer meiner Schüler, der sein Referat zum Termin nicht fertig hatte, hatte in der Pause das HDMI-Kabel zwischen Beamer und Whiteboard abgezogen und versteckt, um aus der Nummer unbeschadet heraus zu kommen. Ich brauchte eine Minute, um die Ursache des toten Bildschirms zu finden und wollte ein Ersatzkabel aus dem Computerraum besorgen, als er seine Verzweiflungstat beichtete.

Ein Beispiel aus der Musik, das die Spanne zwischen Fluch und Segen digitaler Geräte verdeutlicht: Ich mache in unterschiedlichen Besetzungen Musik und verwende inzwischen im eigenen Equipment nur noch Digitalmischpulte, da diese analogen Mischpulten in vieler Hinsicht weit überlegen sind. Beispielsweise kann man die Abmischung für jede Besetzung und Räumlichkeit speichern und beim nächsten Mal mit zwei-drei Klicks wieder aufrufen, anstatt jedesmal wieder einen kompletten Soundcheck durchführen zu müssen. Wenn allerdings bei Auftritten die Anlage vom  Veranstalter gestellt wird und am digitalen Mischpult ein Mensch steht, der sich damit nicht richtig auskennt, sind diese Geräte für die Musiker eine einzige Katastrophe: Da werden die falschen Instrumente lauter oder leiser gemacht, statt Frontsound wird der Monitor verändert, auf dem Monitor liegen plötzlich irgendwelche wilden Effekte, und als Krönung hatte ich bei einem Auftritt immer mal wieder die Pausenmusik auf meinem Monitor laufen.

Exakt so verhält es sich mit dem Medieneinsatz in der Schule: Nur wenn die Lehrkräfte digitale Medien souverän im Griff haben, verlässlich sowie effizient damit umgehen können, und wenn die Geräte zuverlässig funktionieren (was mangels professionellem Support häufig nicht der Fall ist) lohnt sich die immense Investition. Da aber an Fortbildung und Support beharrlich gespart wird, ist digitale Bildung an deutschen Schulen nach wie vor eine Wundertüte, aus der wenig Zählbares herauskommt. Und während in zahllosen Ländern digitale Medien längst fest in den Bildungsplänen verankert sind und gewinnbringend eingesetzt werden, freut man sich in Deutschland immer noch über Tablet- oder Notebookprojekte, die noch dazu regelmäßig aus der =>Ecke der ewig Gestrigen massiv beschossen werden…

Update 28.07.17 => Fazit: Sollte der „Digitalpakt“ von Bildungsministerin Johanna Wanka, über den bis 2021 fünf Milliarden Euro an die deutschen Schulen fließen sollen, tatsächlich in die Tat umgesetzt werden (=> was derzeit noch in den Sternen steht) müssen dabei professioneller Support und fachspezifische Lehrerfortbildung unbedingt mitkalkuliert werden. Davon war aber bisher nichts zu lesen. Zudem sollen ausgerechnet digitale Endgeräte, auf welche die Schulen gerade zunehmend umrüsten, während sie die unpraktischen und wartungsintensiven Computerräume abschaffen (zahlreiche andere Länder haben diese Entwicklung längst abgeschlossen!), von der Finanzierung ausgeschlossen sein – wieder einmal steht .de für „digitales Entwicklungsland“.

Rechenbeispiel: Bei ca. 40.000 Schulen erhält rein rechnerisch jede Schule 125.000 €. Werden diese komplett in Hardware investiert, ist nichts gewonnen, denn es fehlen weiterhin qualifizierte Menschen für die technische Wartung und den kompetenten pädagogischen Einsatz der Geräte (s.o.). Die Folgekosten für diese Hardwareinitiative dürften daher weitaus höher liegen. Der Hamburger Bildungssenator Ties Rabe =>taxiert sie auf 2-3 Milliarden pro Jahr!

In zwei aktuellen Artikeln der Süddeutschen Zeitung ist die Problematik recht treffend dargestellt:

=> http://www.sueddeutsche.de/bildung/schule-digitalisierung-der-schulen-endet-mit-elektroschrott-1.3576142

=> http://www.sueddeutsche.de/bildung/digitalisierung-schulen-muessen-raus-aus-der-kreidezeit-1.3607234

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Spamschutz * Das Zeitlimit ist abgelaufen. Bitte laden Sie die Spamschutzrechnung neu.