Fremdsprache 2.0 – Sprachen lernen per App
Mal ein etwas anderes digitales Thema: Da unser Sohn aktuell in Argentinien studiert und wir ihn in den Weihnachtsferien besuchten, habe ich Mitte November begonnen, Spanisch im Selbststudium zu lernen. Die daraus gewonnen Erkenntnisse würde ich sehr gerne auf meinen Sprachunterricht in der Schule übertragen, dafür sind aber erhebliche Hürden zu überwinden (siehe Ende des Beitrags).
Nach der Sichtung des Angebots an entsprechenden Apps fiel eine klare Entscheidung für Babbel (www.babbel.com). Zum einen hatte mein Sohn damit bereits sehr gute Erfahrungen gemacht, um das von der Uni geforderte B2-Niveau zu erreichen, zum anderen überzeugte mich nicht nur das Sprachlehrkonzept, sondern auch die Tatsache, dass es sich um einen deutschen Anbieter mit Sitz in Berlin handelt, der an das deutsche Datenschutzgesetz gebunden ist.
Die ebenfalls sehr populäre App DuoLingo kommt dagegen aus Pittsburgh/USA und greift die Kontakte des Smartphones ab. Man bezahlt also wie so oft für eine angeblich „kostenlose“ App mit persönlichen Daten, wird permanent mit Werbung bombardiert, und in-App-Käufe für bis zu 85 € für zusätzliche Features gibt es natürlich auch… Dazu ist das Lehrkonzept durchwachsen, die Texte werden von einer nervigen, verrauschten, oft schwer verständlichen Computerstimme gesprochen (bei Babbel dagegen von Muttersprachlern) und die Inhalte sind teilweise fehlerhaft bis abstrus: Schon im ersten Schritt des Einstufungstests wird für „Mann“ „marido“ verlangt, das heißt allerdings „Ehemann“. Setzt man im nächsten Satz „der Mann trinkt Milch“ wider besseres Wissen „marido“ ein, wird man aufgeklärt, dass es dann doch „hombre“ heißen muss. Das war’s dann für mich mit DuoLingo, keine Liebe auf den ersten Klick… Es fällt auch direkt auf, dass die deutschen Texte in der App nicht von Muttersprachlern erstellt wurden: „Glückwunsch! Du hast Dich aus 6 Fähigkeiten herausgetestet!“ Qué…? Beispielsätze wie „Der Affe läuft in der Nähe des Pferdes“ oder „Der Vogel frisst zwischen den Katzen“ fand ich auch eher wenig hilfreich.
Und im Vergleich mit Babbel fehlt Duolingo ein spielentscheidendes Feature, auf dass ich gleich noch einmal zurück komme: Übungen mit Spracherkennung.
Einen ausführlichen Testbericht zu DuoLingo gibt es =>hier.
Zurück zu Babbel: 19,95 € für drei Monate Vollzugriff auf alle Kurse fand ich einen mehr als angemessen Preis, v.a. wenn man das mit den Kosten für professionelle Sprachschulen oder auch Volkshochschulkursen (30 Stunden/180 €) vergleicht. Inzwischen habe ich auf ein Jahresabo für 4,95 € monatlich verlängert.
Von Mitte November bis zum Abflug am 23.12. habe ich täglich ca. 90 Minuten mit der App oder im Browser geübt, d.h. ca 66 Stunden. Das entspricht in etwa dem zeitlichen Umfang eines Schulhalbjahres mit 5 Wochenstunden, allerdings musste ich mir diese Stunden nicht mit bis zu 29 MitschülerInnen teilen!
Damit habe ich die 6 Anfänger- und 4 Mittelstufenkurse (ca. 200 Lektionen á 20 Minuten) geschafft und laut Babbel Niveau B1 erreicht (entsprechende Zertifikate lassen sich ausdrucken). Dazu kamen noch ca. 85 kürzere Lektionen aus den Bereichen Grammatik, Hören und Sprechen, Land und Leute, Extras sowie Wörter und Sätze.
Das Konzept von Babbel ist überzeugend: Neue Inhalte werden eingeführt und erkärt, dann mit unterschiedlichsten Übungsformen trainiert und vertieft. Am Ende jeder Lektion werden die fehlerhaften Elemente so oft zur Wiederholung angeboten, bis alle Fehler korrigiert sind.
Zur Unterstützung habe ich die Sprache am Notebooks und am Smartphones sowie mein Facebookkonto ebenfalls auf Spanisch umgestellt, man ist dann immer wieder gezwungen, unverständliche Meldungen nachzuschlagen. Als Wörtbuch-App dafür nutze ich dict.cc, weil es auch offline verfügbar ist.
Babbel verfügt zudem über einen ausgeklügelten Vokabelmanager mit sechs Lernstufen, der die gelernten Wörter und Sätze in bestimmten Intervallen unerbittlich immer wieder abfragt, bis sie zuverlässig sitzen. Hier sollte man unbedingt am Ball bleiben, um nicht nach wenigen untätigen Tagen hunderte von Vokabeln abarbeiten zu müssen!
Vor Ort stellte sich dann heraus, dass Niveau B1 beim Hören und Lesen durchaus zutraf: Einkaufen, Speisekarten, Hinweisschilder, Fahrpläne, Buchungen etc. waren kein Problem.
Aber in Sachen aktives Sprechen zeigte sich gnadenlos eine Schwachstelle meiner Lernsituation: Da ich meistens nicht alleine im Raum war (Lehrerzimmer, Bahn, etc.), hatte ich bei vielen Übungen „ohne Spracherkennung“ gewählt, und stellte dann in Gesprächssituationen fest, dass die passenden Worte samt richtiger Aussprache zwar in meinem Kopf waren, aber den Weg zu den und über die Lippen nur ziemlich zäh und mühsam fanden. Es fehlte schlicht Routine im Sprechen. Das wurde im Verlauf der drei Wochen zunehmend besser, am Ende konnte ich mich mit einem Lehrerehepaar im Hostel ganz gut über Klima, Schule, Essen, Musik, Reisen etc. unterhalten. Aber dass ich flüssig, geschweige denn fließend Spanisch spreche, kann ich beim besten Willen noch nicht behaupten. Um das aktive Sprechen zu üben, sollte man also unbedingt die Übungsteile mit Spracherkennung nutzen, auch auf die Gefahr hin, dass es Mitmenschen nerven könnte 😉
Eine zusätzliche Hürde war übrigens der in Buenos Aires vorherrschende Porteño-Dialekt, aber das ist ein anderes Thema. Spanier haben mit uns Hessen auch so ihre Mühe… 😉
Damit sind wir beim grundsätzlichen Problem des Fremdsprachenunterrichts in der Schule angekommen: Bei bis zu 30 Kindern in der Klasse sind die aktiven Sprechanteile viel zu gering, insbesondere für die stilleren Kinder. Als Englischlehrer würde ich mir daher für die Schule dringend wünschen, dass wir solche digital-multimedialen Lernmethoden schon ab dem ersten Lernjahr einsetzen können. Sie machen viel Spaß und sind deutlich effizienter. Die Kinder müssen dafür keine eigenen Smartphones besitzen, die Schulen sollten eigene Tablets/Computer zur Verfügung haben, und zuhause kann man auf dem Familientablet, auf Mamas/Papas Handy oder auf einem ausgemusterten Smartphone ohne SIM-Card üben.
Es gibt bereits auf die aktuellen Lehrbücher abgestimmte Angebote wie z.B. Phase6, die preislich in ähnlichem Rahmen liegen wie Babbel. Hier kann man sogar Lerngruppen anlegen und als Lehrkraft den Lernfortschritt seiner SchülerInnen verfolgen und gezielt unterstützen. Dafür müsste man den Fremdsprachenunterricht aber grundsätzlich umstrukturieren und v.a. die notwendigen Voraussetzungen bezüglich Hardwareausstattung und Internetanbindung schaffen.
Aber auch zur Nachhilfe sind Sprachlernapps hervorragend geeignet und sicherlich effektiver als eine einmalige Nachhilfestunde pro Woche.
Fazit des Selbstversuchs: Das Erlernen, Vertiefen oder Auffrischen einer Fremdprache mit Apps wie Babbel kann ich wärmstens und con mucho gusto empfehlen!
Hallo Frau Seubert,
ich schreibe mir auch immer wieder Dinge auf, insbesondere solche, die partout nicht in meinen Schädel wollen. Ich habe das Gefühl, die Handschrift ist nochmal eine zusätzliche Gedächntnishilfe.
Schöne Grüße
Günter Steppich
Hallo Herr Steppich,
danke für Ihre motivierende Beschreibung von Babbel, der ich voll zustimmen kann. Auch aufgrund Ihrer Empfehlung habe ich diese App für mein Spanischlernen ausgewählt und nutze sie seit ca. 4 Wochen.
Da ich zu Hause am PC lerne, habe ich von Beginn an die „Spracherkennung“ genutzt und schätzen gelernt. Wie gut das tatsächliche Sprechen bei mir funktioniert, kann ich derzeit mangels Einsatzmöglichkeit noch nicht einschätzen.
Eines vermisse ich: Bereits erlerntes Grammatikwissen könnte sich in einer Art Notizbuch sammeln und zum Nachschlagen für den Lernenden zur Verfügung stehen – ein bisschen wie beim Vokabeltrainer. Da es diese Funktion bisher nicht gibt, habe ich mir – ganz analog – ein Merkheft dafür angelegt.
Mit bestem Gruß aus Limburg
Manuela Seubert