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Instagram-Beichtseiten – Bedienungsanleitung

Empfehlung: Dieser Artikel darf gerne auch als Elternbrief beliebig an Schulen verteilt werden. Schulen, die zu diesem Thema keine Präventionsarbeit betreiben, laufen Gefahr, bei solchen digitalen Eskalationen einen gewaltigen Aufwand betreiben zu müssen, um die Wogen zu glätten bzw. die Scherben zusammenzukehren. Kinder und Jugendliche, die keine Ahnung von den rechtlichen Rahmenbedingungen der Internetnutzung haben, handeln sich mit unbedarften, vermeintlich coolen Aktivitäten sehr leicht großen Ärger ein. Diesen Ärger sowie die unschönen Wellen, die solche Aktionen an einer Schule schlagen, lassen sich mit vergleichsweise geringem Aufwand verhindern.

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Ich M/50+ beichte, dass die meisten „Admins“ von => Schulbeichtaccounts auf Instagram keine Ahnung haben, was sie da tun, und viele Kommentatoren ebenfalls nicht.
(mit Rechtschreibung haben sie auch wenig am Hut, aber das ist ein anderes Thema 😉 )

Folgendes solltest du wissen, wenn du auf Instagram sogenannte #Beichten deiner Mitschüler veröffentlichst, #Beichten einreichst oder sie kommentierst.

10 Tipps um Ärger zu vermeiden:

  1. Auf Instagram bist du keineswegs anonym! Hier werden IP-Adressen gespeichert, welche die Polizei im Fall einer Strafanzeige bei Instagram per Auskunftsersuchen abfragen kann. Wenn du für das Zusenden der Beichten deutsche Seiten wie Tellonym.de verwendet, ist diese Abfrage für die Polizei noch viel einfacher, denn Tellonym erklärt in seinen FAQ ausdrücklich, dass die IP-Adressen gespeichert und auf Anfrage der Polizei übergeben werden. Auch über die zur Anmeldung bei Instagram verwendeten Handynummern oder E-Mail-Adressen kannst du ermittelt werden.
    100 % anonym geht nicht, und ABONETTEN klingt irgendwie nach Schokoriegel, Lutschtabletten oder Küchenmaschine, das andere sind ABONNENTEN 😀

    Von daher ist es Unsinn, mit dem Versprechen “100 % anonym” zu werben. Es ist extrem schwierig, sich im Internet zu anonymisieren, und zu 100 % sicher ist das auch für absolute Profis nicht.

  2. Im Gegensatz dazu ist der Besitzer des Accounts zu 100 % verantwortlich für alle Posts und Kommentare, auch wenn sie von anderen eingereicht bzw. geschrieben wurden. Als Betreiber bist du verpflichtet, alle strafbaren Inhalte umgehend zu löschen. Dazu gehören Beleidigungen, Verleumdungen, üble Nachrede, etc. Wenn du diese selbst gepostet hast, schützt auch späteres Löschen nicht vor Strafe.
  3. Deine Follower, die “Beichten” einreichen oder dazu abfällige Kommentare abgeben, sind natürlich ebenfalls dafür verantwortlich. Viele haben dabei aber offensichtlich noch nicht einmal auf dem Schirm, dass ihre Nicknames (z.B. Vorname plus Geburtstag!) und/oder Profilbilder ihre Identität verraten, andere lästern direkt unter ihrem vollen Namen… Tipp dazu: Es ist durchaus hilfreich, zuerst das Hirn einzuschalten und dann das Internet… ?
  4. Strafmündigkeit. Das Strafmündigkeitsalter von 14 Jahren schützt dich nicht vor Ansprüchen auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld. Ein 13-jähriger Berliner Schüler wurde für das Veröffentlichen eines Nacktfotos seiner Ex-Freundin zu 1000 € Schmerzensgeld verurteilt! Und auch Ordnungsmaßnahmen der Schule, von Querversetzung und Ausschluss von Klassenfahrten bis zum Schulverweis, haben natürlich keine Altersgrenze.
  5. Rechtlich gesehen macht es auch keinen Unterschied, ob ein solcher Account öffentlich sichtbar oder privat eingestellt ist: Sobald einer der Abonnenten „petzt“ und die von Beleidigung, übler Nachrede oder Verleumdung Betroffenen oder die Schulleitung informiert, etwa mithilfe von Screenshots, wird die Angelegenheit juristisch exakt so behandelt als wären diese Beiträge öffentlich sichtbar gepostet worden.
  6. Alle an solchen #Beichten Beteiligten, Betreiber, Einreicher und Kommentatoren, sollten sich bewusst sein, dass sie dadurch durch Mitschüler erpressbar werden, die damit drohen können, die Identität zu verraten.
  7. WITZIG! 😀 …denkt man bei vielen Beichten im ersten Augenblick. Die Killerfrage ist allerdings, ob die Betroffenen das ebenfalls witzig finden, insbesondere, wenn dabei Namen genannt werden oder auf anderem Weg klar ist, wer gemeint ist. Spätestens wenn Lehrer als Pädophile oder Mitschülerinnen als Schlampen bezeichnet werden hört der Spaß auf. Faustregeln: Was ich jemandem nicht vor anderen offen ins Gesicht sagen würde, gehört auch nicht ins Netz – es sei denn, ich möchte mit den rechtlichen Konsequenzen leben. Wenn du bei einem Lehrerzitat nicht sicher bist, ob er/sie das ok fände, frag ihn/sie einfach. Und frage dich v.a. selbst, wie du es fändest, wenn diese „Beichte“ über dich veröffentlich würde!
  8. Du solltest auch im Blick haben, welches Bild von deiner Schule deine Beichtseite in der Öffentlichkeit erzeugt. Wie wirkt es, wenn es in jeder zweiten Beichte um irgendwelche Anspielungen unter der Gürtellinie auf dem Schulklo, um Alkohol und Drogen geht? Auch wenn es „nur Spaß“ ist – Außenstehende können das nicht einschätzen.
  9. Fazit: Als „Admin“ eines Beichtaccounts trägst du große Verantwortung und musst auch die Kommentare zu deinen Posts regelmäßig kontrollieren. Am besten stellst du im Infobereich deines Accounts klare Regeln für Beichten und Kommentare auf. Wenn du dir bei Beichten unsicher bist, ob du sie veröffentlichen kannst, frage einen Erwachsenen, was er dazu meint oder noch besser: Frage die betroffene Person. Bestimmt gibt es an deiner Schule eine/n Vertrauenslehrer/in oder Schulsozialarbeiter/in, die dich dabei unterstützen kann. Gefährde nicht deine Schullaufbahn und dein Bankkonto durch vermeintlich witzige, unüberlegte Beichten und Kommentare.
    Würde ich als Lehrer abfällige Beichten über KollegInnen, SchülerInnen oder Eltern posten, wäre mein Job gefährdet – und zwar mit Recht!
  10. Wenn du diese Anleitung befolgst, können Beichten eine spaßige Angelegenheit sein – und zwar für alle Beteiligten!

Noch Fragen? Instagram: mediensicher oder über das Kontaktformular

7 Gedanken zu „Instagram-Beichtseiten – Bedienungsanleitung

  • Pingback: Links: EdTech (weekly) – MatthiasHeil.de

  • Günter Steppich

    Jedes Verfahren ist immer nur so gut wie die Leute, die es anwenden. Ich habe mit No-Blame gute Erfahrungen, es funktioniert aber nicht bei jedem Fall, das muss man vorab einschätzen können. Aus einer einzelnen persönlichen Erfahrung lässt sich ein Verfahren nicht grundsätzlich positiv oder negativ bewerten. Wenn ein Kind, wie Sie sagen, 2,5 Jahre gemobbt wurde, ist in dieser Zeit ganz viel falsch gelaufen. No-Blame ist ein Ansatz, mit dem vor allem frühzeitig gute Erfolge zu erreichen sind.

  • Mutter

    Ja, der No-Blame-Approach wird auch in Deutschland angewendet. Leider muss man sagen. Meine Tochter wurde 2,5 Jahre am Gymnasium gemobbt. Sie hat es abgelehnt als Hilfsobjekt für die beiden Hauptmobberinnen missbraucht zu werden. Eine verbringt nach der Schule acht Stunden auf dem Bett mit ihrem Smartphone und begründet damit vor ihrer Clique, dass sie keine Hausaufgaben hat. Die fanden das cool. Die andere bekommt drei Fünfen in einer Woche zurück, bleibt angeblich cool und mobbt dann aber verstärkt die Kinder, die gute Noten haben.

    Die sollen zu Expertinnen für das weitere Wohlergehen meiner Tochter befördert werden, um ihr zu helfen. Die war sehr wütend, weil sie explizit keine Hilfe von Täterinnen wollte. Das Prinzip ist falsch, kein Opfer von Gewalt möchte, dass der Täter positiv sanktioniert wird. Der No Blame Approach ist bei der Arbeit mit „verstörten“ Kindern entwickelt worden. Natürlich merken gesunde Kinder, dass die Idee schräg ist und wehren sich. Eine Diskussion dazu gibt es aber auch bei schüler-gegen-mobbing, genauer und ausführlicher anhand der Mobbingforschung belegt.

    Ein Schulwechsel war die richtige Mobbbing-Intervention, in der 7. Klasse ist es kein Problem, wenn Mädchen gut in Mathe sind, gerne was lernen und sich mehr für ihre Hobbies als für Musical.ly, WhatsApp, Instagram, Ariana Grande und die Mannequin Challenge interessieren. Wer Hilfe braucht, um ein adäquateres Verhalten an den Tag zu legen, ist sicher unstrittig. Aber dazu braucht man nicht das Opfer in den Fokus der Aufmerksamkeit zu stellen. Es gibt beim No Blame Approach keine richtige Anwendung für richtige Situationen. Der Ansatz ist in sich grundfalsch und die Atmosphäre in der Klasse war durch Mobbing von einem so engstirnigen Mädchenbild dominiert und so leistungsschwach, dass man dankbar ist, wenn das eigene Kind sich dem nicht anpassen möchte und lieber einen Schulwechsel in Kauf nimmt.

    In dem Gymnasium war Smartphone-Nutzung in der Unterstufe verboten und ich wurde nur belächelt oder mit Augenrollen bedacht, wenn ich kritisiert habe, dass die Clique im Klassenzimmer munter Selfies gemacht und gefilmt hat. Nachher habe ich erfahren, dass der Englisch-Lehrer in der fünften Klasse die Jungen mit Smartphone nach vorne kommen ließ, um mit ihnen in der Fünf-Minuten-Pause Games zu spielen. Da darf man sich nicht wundern, wenn die die was lernen wollen und sich an die Schulordnung halten, gemobbt werden.

  • Günter Steppich

    Das sehe ich anders, der No-Blame-Approach wird auch in Deutschland verwendet und ist keineswegs überholt, wenn man ihn richtig und in richtigen Situationen anwendet, und ich sehe auch nicht, wo dabei Opfer diskriminiert werden. Es geht ja darum, eine Atmosphäre herzustellen, in der alle Beteiligten wieder miteinander klarkommen. Gerade bei Kindern und Jugendlichen sollte das immer das erste Ziel sein.
    Bei wirklich heftigen Mobbingfällen mit schwerwiegenden, bösartigen Übergriffen und Verletzungen funktioniert er allerdings nicht.

  • Mutter

    Hallo, man muss dazu sagen, dass in der Schweiz bei (Cyber-) Mobbing der No-Blame-Approach praktiziert wird. Das ist eine überholte Methode aus den 80ern, die extrem diskriminierend und stigmatisierend für das Opfer ist, während es die TäterInnen charmant und partnerschaftlich aus der Verantwortung entlässt.
    Die Haltung des Schweizer Kollegen ist daher doppelt fahrlässig und fördert Mobbing.

  • Günter Steppich

    Hallo, ich kann Ihnen da nur zustimmen. Die erwähnte Kritik kenne ich, finde sie allerdings eher realitätsfern als konstruktiv. Der Schweizer Kollege, der sie verfasst hat, möchte sich in der Regel mit den Schattenseiten von Social Media nicht beschäftigen.

  • Mutter

    Es gibt konstruktive Kritik an der medienpädagogischen Begleitung der Beichtposts:
    https://schulesocialmedia.com/2017/03/27/instagram-beichten-und-ihre-medienpaedagogische-begleitung/

    Ich kann dem nicht folgen, weil ich es aus meiner Schulzeit nicht kenne.

    „Es handelt sich um eine Entwicklungsphase, die so dokumentiert wird.“
    Dafür hatte man früher Tagebücher mit dem unschlagbaren Vorteil, dass man die Irrungen und Wirrungen der Pubertät loswerden konnte und sie danach verbrennen konnte. Was treibt Jugendliche dazu, sich täglich in sozialen Netzwerken mit Beiträgen wie „Ich beichte, ich esse Popel.“ zu outen. Mir erschließt sich der Sinn dieser Selbstdarstellung nicht und sie hat den Nachteil, dass die Spuren im Netz nicht mehr gelöscht werden können. Aber in der Pubertät durchlebt man eben auch destruktive Phasen.

    „Das System Schule schafft Zwänge, die nur anonym umgangen werden können, weil der Preis an den Schule dafür sonst zu hoch wäre.“ What the hell ist damit gemeint. Stinkt es einem, engagiert man sich in der SV. Andere haben gekifft. Was treibt einen dazu, persönliche Defiziten oder vermeintliche Schuld öffentlich zu machen? Kann man das heute nicht mehr mit Freunden besprechen und so Unterstützung bekommen. Bei Instagram verpufft die Energie doch.

    Ich – Mutter – beichte, dass ich nicht nachvollziehen kann, warum Jugendliche nicht lieber faul in der Sonne liegen und mal nichts machen.

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