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Jungen und Videospiele – Update

Vor ca. 4 Jahren habe ich bereits einen längeren Beitrag zu diesem Thema geschrieben. Seitdem hat sich das Problem, insbesondere auch durch die Umstände der Coronapandemie, noch einmal deutlich verschärft.


JIM-Studie 2021, www.mpfs.de

Meine Schulband 2002: Alle Instrumentalisten Jungs, vorne 3 Sängerinnen und 1 Sänger.

2022: Alle Bandmitglieder weiblich, bis auf den Drummer, der sich furchtbar darüber aufregt, dass alle seine Freunde und Mitschüler in ihrer Freizeit nur noch Videospiele zocken wollen. Mit Kumpels eine Band gründen? Fast unmöglich geworden!
Umfrage in meiner 9. Klasse, wer ein Instrument spielt: Jedes 2. Mädchen, aber nur einer von 13 Jungs. Etliche von ihnen hatten mal ein Instrument angefangen, es aber aufgegeben, weil sie wegen Gaming zu wenig Zeit dafür hatten – und auch wenig Lust darauf.
Das ist natürlich keine repräsentative Erhebung, aber in anderen Klassen zeigt sich ein sehr ähnliches Bild. Gaming ist längst Gesprächsthema Nr. 1 unter Jungs geworden, noch vor Fußball.
Wenn ich im Informatikunterricht der Jahrgangsstufe 9 eine freie Stunde ankündige, in der die Kids sich mit einem beliebigen, selbstgewählten Informatikthema beschäftigen dürfen, muss ich explizit dazu sagen „außer Zocken“, weil sich alle Jungs sonst die ganze Stunde mit Games vertreiben.
Mir macht diese eindimensionale Entwicklung große Sorge! Gar nichts gegen Gaming, es ist extrem spannend, unterhaltsam und faszinierend – aber es hat längst Dimensionen angenommen, die nicht mehr gesund sind und sich negativ auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auswirken, körperlich, intellektuell und emotional.
Die durchschnittliche tägliche Spielzeit von 12-19jährigen Jungs liegt laut der JIM-Studie 2021 an Schultagen mittlerweile bei knapp 2,5 Stunden – logisch, dass da für andere Freizeitaktivitäten, aber auch für Hausaufgaben und Lernen kaum noch Zeit bleibt. In keinem anderen Freizeitbereich kommen Jungen auch nur annähernd auf solche Zeitumfänge – die finden sich nur bei wenigen Spitzenathleten oder -instrumentalisten!
Jungs investieren auch nach eigenen Angaben täglich etwa eine halbe Stunde weniger in die Schule als Mädchen (JIM-Studie 2016) – das summiert sich bei 40 Schulwochen auf ca. 140 Stunden bzw. 180 Schulstunden im Jahr! Der Jungenanteil im Abitur liegt nur noch bei 45 %, ihre Notendurchschnitte sind deutlich schlechter, und schon bei den Gymnasialempfehlungen am Ende der Grundschule stehen die Mädchen deutlich besser da.
Videogames haben einen unglaublichen Absorptionsfaktor, dem sich nur sehr wenige Jungs selbständig widersetzen können, wenn ihre Eltern dem Spielen keine Limits setzen und dafür sorgen, dass die Freizeit der Kids vielseitig gestaltet wird. Aber da die Mehrheit der Eltern das nicht tut (weil sie keine Lust auf die Auseinandersetzung haben?), geraten diejenigen Eltern, die das Zocken konsequent eingrenzen, immer mehr unter Druck – denn „aber alle anderen dürfen das…“, man will sein Kind ja auch nicht zum Außenseiter machen. Aber welche Zukunftsperspektive haben Jungs, die exorbitant viel Zeit mit Gaming verbringen und dadurch so viele andere wichtige Bereiche vernachlässigen – sogar Kontakte zu Mädchen, auf die exzellente Gaming Skills in der Regel so gar keinen Eindruck machen…

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