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KinderServer des Familienministeriums erweist sich als Vollflop!

www.heise.de/newsticker/meldung/Bundesfamilienministerin-startet-KinderServer-1812657.html

Die am 27.02.13 von Familienministerin Kristina Schröder vorgestellte Kinderschutzlösung „KinderServer“, Info und download unter www.kinderserver-info.de, hat sich nach 30 Minuten Test als – freundlich ausgedrückt – suboptimale Billiglösung erwiesen, die sich mit simpelsten Mitteln von halbwegs medienkompetenten Grundschülern austricksen lässt. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn ich den Teilnehmern meiner Fortbildungen und Elternabende eine praktikable Lösung hätte präsentieren können, doch leider ist die Software in sämtlichen Varianten aus meiner Sicht ein einziges Debakel! Auch die Experten der Zeitschrift CHIP und von Heise Online kommen zu diesem enttäuschenden Ergebnis:

Auf einem Windows 7 System habe ich sowohl das Add-on für Firefox als auch die angeblich „browserübergreifende“ Software installiert.

Ergebnis:

  1. Die Software richtet einen sogenannten Proxy ein (eine Art „Internetumleitung“, proxy.kinderserver.eu – Port: 3128), der auf die Whitelist von FragFinn und die Linkliste von Blindekuh zugreift, einen Pool von ca. 11.000 von Medienpädagogen geprüften Internetseiten. Diesen kann man auch einfach von Hand im Browser bzw. in den Interneteinstellungen von Windows eintragen, den die KinderServer-Software ist so stümperhaft konzipiert, dass man sich deren Installation getrost sparen kann!
  2. Das Firefox-Addon funktioniert und lässt sich dank Passwortschutz mit einfachen Mitteln auch nicht deaktivieren – man kann aber in den Firefox-Einstellungen ganz einfach den Proxy deaktivieren. Zudem hat diese Variante keinerlei Auswirkung auf Chrome, Internet Explorer und andere Browser, sodass die Kids dann eben auf diesem Weg das komplette Internet zur Verfügung haben.
  3. Die „browserübergreifende Installation“ trägt dagegen in den Internetoptionen von Windows den Proxy des KinderServers ein, das hat aber wiederum keine Auswirkung auf Firefox. Zudem kann der Nachwuchs den Proxy ganz einfach wieder deaktivieren, denn das Passwort der Software braucht man dazu nicht zu kennen – Administratorrechte sind dazu NICHT notwendig!
    Und schließlich wird die Software unübersehbar im Windows Taskmanager als „Kinderserver Anwendung.exe“ angezeigt und lässt sich so ganz lässig beenden. Auch das geht ohne Administratorrechte…
  4. Startet man den KinderServer in einem Benutzerkonto, wechselt in ein anderes Konto und versucht dort, den Filter erneut zu starten, stürzt das Programm mit einer Fehlermeldung ab:
    Program Manager_2013-02-27_23-57-52
  5. Die Freigabe weiterer Webseiten durch die Eltern ist sehr umständlich gelöst und besitzt hohen Nervfaktor: Kinderserver per Passworteingabe ausschalten, Website eingeben, Kinderserver wieder einschalten. Wenn der Nachwuchs dann alle 5 Minuten kräht „Mama/Papa, komm mal, die Schulseite/Sportverein/Spieleseite… geht nicht“, läuft der PC Gefahr, von genervten Erziehungsmenschen aus dem Fenster/gegen die Wand geschleudert zu werden – naja, wenigstens ist dann vollständiger Jugendschutz gewährleistet… 😉

In den Hinweisen zur Android-AppMeine Startseite für Smartphones und Tablets heißt es: „Bei Android-Geräten sollten Sie darauf achten, Ihrem Kind das Gerät nur mit geschlossenen Anwendungen zu überlassen. Damit es über diese Anwendungen die App Meine-Startseite nicht verlassen kann.“ Was das bedeuten soll, erschließt sich selbst mir als erfahrenem Anwender nicht. Es ist zu vermuten, dass diese App ohne Installation zusätzlicher Tools vom Kind einfach deinstalliert oder im Taskmanager beendet werden kann. Das zu überprüfen blieb mir allerdings erspart, da die App auf zwei aktuellen Samsung Smartphones sich mangels Kompatibilität gar nicht erst installieren ließ!

Meine-Startseite - Android Apps auf Google PlayInstallation der Android App auf einem Lenovo Thinkpad Tablet: Ist die App aktiviert, kann NUR noch der KinderServer verwendet werden, sämtliche anderen Anwendungen sind gesperrt! Wenn also der Nachwuchs nach dem Surfen ein Spielchen oder eine Zeichenapp benutzen möchte, müssen Mama/Papa das Passwort eingeben. Damit ist dann das Tablet aber wieder komplett frei und sämtliche Anwendungen, natürlich auch alle Internetbrowser, stehen uneingeschränkt zur Verfügung. Andere Lösung: Tablet ausschalten, wieder einschalten, KinderServer inaktiv. Wer denkt sich so etwas sinnfreies aus..?!

Fazit: Nur für Kinder, die noch nicht lesen können, ist diese Software empfehlenswert.
Ansonsten entpuppt sie sich als völlig untaugliche – weil vermutlich mal wieder mit minimalem Etat gestrickte – Umsetzung einer netten Idee unserer Familienministerin, die ähnlich wirkungslos ist wie die mit großem Applaus der Ahnungslosen begleitete „Indizierung“ des Mobbingportals isharegossip.com im Jahr 2011, die lediglich deren Sperrung in deutschen Suchmaschinen wie www.google.de bewirkte, auf ausländische Domains wie www.google.com jedoch keinerlei Effekt hatte. Wenn die Politik ernsthaft eine wirkungsvolle deutsche Kinderschutzsoftware auf den Markt bringen will, muss sie dafür auch ausreichend Geld in die Hand nehmen und diese Aufgabe Profis übertragen, deren Lösung nicht von pfiffigen Achtjährigen in wenigen Minuten entspannt ausgehebelt wird, ohne dass die ahnungslosen Eltern davon etwas mitbekommen – denn wenn Mama ins Zimmer kommt, kann man den KinderServer ja einfach wieder mit zwei Mausklicks einschalten.

Vielleicht könnte sich das Familienministerium ja mal bei den Entwicklern der kostenlosen K9 web protection informieren, wie man so etwas richtig macht…

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