Thema Smartphone: Liebe Eltern der neuen Fünftklässler
Liebe Eltern der neuen Fünftklässler,
ich freue mich, dass Sie sich für die Gutenbergschule entschieden haben und wünsche Ihnen und Ihren Kindern viel Spaß und Erfolg in den kommenden Jahren an unserer Schule. Als Beauftragter für Jugendmedienschutz an der Gutenbergschule möchte ich Sie dabei mit Ratschlägen zur Medienerziehung, und insbesondere zur Nutzung von Handys und Smartphones, nach Kräften unterstützen und Ihnen bereits an dieser Stelle einige wichtige Empfehlungen mitgeben:
Sicherlich beabsichtigen etliche von Ihnen, ihren Kindern zum Übergang auf die weiterführende Schule ein Handy oder gar ein Smartphone zu schenken. Gegen ein einfaches Handy, mit dem man telefonieren und SMS schicken kann, ist in dieser Altersgruppe nichts einzuwenden, obwohl es von Seiten der Schule aus keinen plausiblen Grund gibt, warum Ihre Kinder überhaupt ein Telefon in die Schule mitbringen sollten, denn im Sekretariat kann in Notfällen jederzeit telefoniert werden. An der GBS herrscht bereits seit 2004 ein komplettes Nutzungsverbot für Handys, Spielekonsolen und andere tragbare elektronische Geräte, das auch in der Hausordnung verankert ist. Handys müssen ausgeschaltet und im Ranzen verstaut sein. Bei Verstößen wird das Gerät eingezogen und muss von den Eltern abgeholt werden. Lehrkräfte können diese Regelung für unterrichtliche Zwecke aufheben und auch die Aufenthaltsräume der Oberstufe sind von diesem Verbot ausgenommen.
Von der Anschaffung eines Smartphones für Fünftklässler möchte ich dringend abraten, insbesondere in Verbindung mit mobilem Internetzugang per Flatrate! Ich hatte als Fachberater für Jugendmedienschutz des Staatlichen Schulamts und des Landesschulamts im vergangenen Schuljahr alle Hände voll damit zu tun, digitale Schadensbegrenzung zu betreiben, insbesondere in Fällen von entgleisten peinlichen Fotos und Onlinemobbing per WhatsApp und Facebook, aber auch pädophilen Übergriffen in sozialen Netzwerken. Der Altersschwerpunkt lag dabei in Klasse 7/8, es waren aber auch einige Fälle im Grundschulbereich darunter! Aus meiner Erfahrung gibt es für Besitz und Nutzung von Smartphones durch Kinder unter 14 Jahren keinen einzigen plausiblen oder gar zwingenden Grund, aber jede Menge Argumente dagegen. Ein ganz simpler Aspekt ist etwa, dass die Nutzung von WhatsApp ihrem Kind jede Menge wertvolle Zeit stiehlt, die zu Lasten wichtiger anderer Aktivitäten geht, insbesondere was Hausaufgaben und reale soziale Kontakte angeht. Was Zehnjährige in zwei Stunden per WhatsApp besprechen, lässt sich in fünf Minuten per Telefon klären!
Kinder in diesem Alter sind nach meiner Erfahrung aus den vergangenen fünf Jahren nicht in der Lage, mit einem Smartphone verantwortungsbewusst und überlegt umzugehen, insbesondere wenn ihnen niemand elementarste Nutzungsregeln beibringt, was leider eher die Regel als die Ausnahme ist. Und selbst wenn Sie Ihrem eigenen Kind den reflektierten Umgang mit diesen Geräten vermitteln, kann niemand dieses Kind vor Inhalten schützen, die es von Freunden und Mitschülern zugeschickt bekommt. Mit einem internetfähigen Smartphone geben Sie Ihrem Kind VOLLZUGRIFF auf die komplette Erwachsenenwelt, mit all ihren unbestrittenen Vorzügen, aber auch mit jeglichen negrgativen Auswüchsen, vor denen Sie es im realen Leben aus gutem Grund schützen. Das Internet ist ein kompletter Spiegel des realen Lebens, und das gilt auch für vermeintlich harmlose Websites wie Google, Youtube oder Facebook. Mit zwei bis drei Klicks sind Sie z.B. bei Hardcore Pornografie oder Tötungsvideos. Geben Sie nur einmal in der Google Bildersuche das Wort eklig ein. Die Frage ist nicht, in welchem Alter Sie ihrem Kind diese Möglichkeiten erlauben, sondern vielmehr, wann sie es ihm zumuten wollen!
Auf den Smartphones mancher Unterstufenschüler kursieren Inhalte, die ich hier gar nicht als Beispiele posten dürfte, weil ich mich damit nach dem Jugendschutzgesetz strafbar machen würde. Auch wenn ihr eigenes Kind solche Inhalte abstoßend findet und niemals im Internet danach suchen würde – es genügt ein einziger problematischer Kontakt über WhatsApp, z.B. in der Klassengruppe, um Einschläge in der Seele Ihres Kindes zu erzeugen, die es nur sehr schwer verarbeiten kann und die es Ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit vorenthalten wird.
Ein internetfähiges Smartphone ist ein Werkzeug, mit dem man sich selbst und anderen heftige psychische Verletzungen zufügen kann, und für dessen kompetente Nutzung, wie bei jedem anderen Werkzeug, ein gewisser Reifegrad erforderlich ist, über den Kinder unter 12 Jahren aus entwicklungspsychologischer Sicht noch gar nicht verfügen können. Professor Dieter Braus, Leiter der Psychiatrie in den HSK, bezeichnet diese Werkzeuge bei seinen Vorträgen gar als Waffen, er hat zahlreiche Patienten, die mit Smartphoneverletzungen in seiner Praxis behandelt werden müssen.
Die AGB von WhatsApp erlauben dessen Nutzung erst ab 16 Jahren (!), Facebook ist erst ab 13 erlaubt und auch für auf den ersten Blick harmlose Spiele wie Clash of Clans gilt diese Altersgrenze – wussten Sie z.B., dass es in Clash of Clans hunderte von Clans mit Titeln wie „Deutsches Reich“, „Hitlerjugendcamp“, oder „SS“ gibt? Mal abgesehen von dem offensichtlichen Interesse solcher Spiele am Taschengeld ihrer Kinder, die mit dem Kauf von virtuellen Juwelen für echtes Geld Bauzeiten verkürzen und ihre Kampfstärke erhöhen können…
Ich werde Sie noch vor den Herbstferien zu einem Medienelternabend einladen, an dem ich Ihnen kurz unser schulisches Medienkonzept vorstellen und anschließend ausführlich aufzeigen werde, warum das Internet kein Kinderspielplatz ist, und möchte Sie bitten, Ihre Entscheidung über den Kauf eines Smartphones zumindest bis zu diesem Elternabend zu vertagen. In jedem Fall sollten Sie sich unbedingt meinen „Handynutzungsvertrag für Kinder“ ansehen, bevor Sie Ihrem Nachwuchs das Tor zur Erwachsenenwelt aufstoßen, darin finden Sie die wichtigsten Smartphoneregeln, die man mit seinem Kind ausführlich besprochen haben sollte!
Meine Handyempfehlungen:
- Handy nicht vor Klasse 5, Smartphone nicht vor 14 Jahren, mobiler Internetzugang ab 16 Jahren (Dabei sollte man im Blick haben, dass der Entwicklungsstand in diesem Alter +-2 Jahre betragen kann).
- Schließen Sie keinen Vertrag, sondern kaufen Sie eine Prepaidkarte, das begrenzt u.a. Abzocke mit Abofallen und Premiumnummern.
- Lassen Sie vom Provider eine Drittanbietersperre einrichten. Das kostet nichts und schützt vor diversen Abzockmaschen. Bei der Telekom und bei Vodafone können Sie auch die Premiumnummern sperren lassen.
- Erhöhen Sie das Taschengeld um 5 € und lassen Sie Ihr Kind die Kosten für die Prepaidkarte selbst tragen, dadurch lernt es einen bewussten Umgang mit dem Handy.
Wenn Sie sich schon vorher ein Bild machen möchten, haben Sie auch die Möglichkeit, sich auf meiner Website www.medien-sicher.de einen solchen Elternabend als Video anzusehen.
Weitere Ausführungen zum Thema „Smartphones für Kinder?“ finden Sie unter
https://www.medien-sicher.de/2013/11/liebe-eltern-eine-offene-e-mail/
Bis zum Schulstart am 8. September wünsche ich Ihnen und Ihren Kindern schöne Ferien und einen erholsamen Sommer!
Günter Steppich
Beauftragter für Jugendmedienschutz an der Gutenbergschule
Schulberatung Jugendmedienschutz am Landesschulamt Hessen
Fachberater für Jugendmedienschutz am Staatlichen Schulamt
für Wiesbaden und den Rheingau-Taunus-Kreis
Hallo Andrea, vielen Dank für diese schöne Rückmeldung 🙂
Hallo Herr Steppich,
herzlichen Dank für diese ausführliche Infos – auch ich fühle mich bestätigt in meiner Sichtweise, dass Kinder keineswegs zu früh mit einem Smartphone in Kontakt kommen sollten. Leider stehe ich da fast allein da in meinem Bekanntenkreis. Der O-Ton der anderen Eltern: “ Da wirst Du schon sehen, dass Dein Kind dann allein dasteht, wenn andere WhatsApp haben und deines nicht. Dein Kind gehört dann nicht mehr dazu.“ Gleichzeitig erzählt ein Elternteil, dass ihr Kind nach einigen Tagen Handyverbot über 1.000 Mitteilungen in WhatsApp hatte. Da braucht man eigentlich nicht mehr dazu sagen. Es ist schön, dass es so engagierte Leute gibt wie Sie! Danke und weiter so!
Hallo Kerstin, danke für das Feedback. Auf der Startseite finden Sie übrigens den Link zum aktuellen Elternbrief, dieser hier ist von 2014.
hallo
ich bin erstaunt wieviel gegenkritik hier doch geschrieben steht….. mir reichen die Infos das meine Entscheidung ein smart phone zu beginn der 5.klasse doch nicht als gute idee durchgeht..
mein sohn wird keines bekommen…
ich möchte einen gesunden stabilen Menschen heranwachsen sehen… und es hat den anschein… das ein smart phon in einem zu frühen alter… wohl eher ein griff ins klo ist..
danke für die infos….
sehr interressant…
gruß kerstin
Sherry&Port klingt gut. Ich melde mich mit einem Terminvorschlag und spiegele Ihnen dann gerne mal die kommunikative Wirkung, die die Art wie Sie dieses wichtige Thema angehen, unter anderem bei mir hat.
Sie haben in der fünften Klasse Pornoheftchen gelesen…? Respekt! Lieber Herr Stoltenow, Sie begehen die typischen Fehler, die fast jedem unterlaufen, der sich mit diesem Thema nur oberflächlich auseinandergesetzt hat: Sie werfen einerseits Kinder und Jugendliche in einen Topf und andererseits schulische Medienbildung mit elterlicher Medienerziehung. Das ist nur eine Feststellung, kein Vorwurf!
Zum Thema Park: Laufen Sie mal nachts durch die Reisingeranlagen, manchmal tut es dafür auch schon der Kranzplatz. Natürlich liegen Ihre Kinder da im Bett, aber viele meiner Schüler liegen mit dem Smartphone oder der mobilen Konsole (also den Reisingeranlagen) im Bett. Sie als medienaffiner Mensch haben das womöglich (hoffentlich) im Griff, ein Großteil der Eltern aber nicht. Und da schlägt dann bei der 10jährigen ein WhatsApp-Kettenbrief ein, in dem steht, dass „Carmen um Mitternnacht kommen und dir die Haut vom Gesicht reißen wird, wenn du nicht…“ Das ist kein Einzelfall, sondern ein Massenphänomen, bei mir sind schon Legionen entsetzter Eltern und Schüler deswegen aufgeschlagen.
An den Ursachen arbeiten, Sie sind wirklich spaßig: Selbst wenn es meine originäre Aufgabe als Lehrer wäre, Eltern vernünftige Medienerziehung zu vermitteln, ich schaffe das gerademal halbwegs an meiner eigenen Schule und das mache ich da ohne jegliche Unterrichtsentlastung, weil die Rückmeldungen der Eltern so überaus positiv sind. Aber kennen Sie die aktuellen Umfragen unter Eltern dazu, z.B. die der TU Darmstadt mit HR Info? 80 % der hessischen Eltern fühlen sich mit der Medienerziehung überfordert und würden das Thema allzu gerne an die Schule abdrücken, aber da sieht es generationsbedingt auch nicht besser aus. Sie als offensichtlich äußerst medienaffiner und -kompetenter Vater können sich überhaupt nicht vorstellen, wie finster es auf diesem Gebiet bei der großen Mehrheit der Eltern aussieht, deren Onlinekompetenzen sich auf Email, Google und evtl. Amazon beschränkt. Ich hatte im laufenden Schuljahr gerade mal 8 Wochenstunden Abordnung für dieses Thema und habe damit ca. 100 Vorträge gehalten, Anfragen hatte ich locker 10x soviele aus ganz Hessen. Das mache ich nicht, weil ich nichts besseres zu tun hätte, sondern weil der Bedarf riesig ist und weil mir die zahllosen Fälle, in denen Kinder wegen der Naivität der Erwachsenen massiven Schaden genommen haben, heftig an die Nieren gehen. Und ich behaupte einfach mal, dass mein Einblick in das Onlineverhalten von Schülerinnen und Schülern qualitativ wie qualitativ ein ganz anderer ist als Ihrer.
Ich habe Diskussionen wie diese ausschließlich online, niemals bei oder nach Veranstaltungen, weil ich da meine Philosophie glasklar rüberbringen kann, was mit schriftlicher Kommunikation leider meist nicht funktioniert, allein der Schreibaufwand ist gegenüber einem Gespräch nervtötend hoch, und oft wird dabei auch nicht richtig gelesen, was das Gegenüber geschrieben hat.
Wenn Sie mich partout in die Schublade „Spitzer und Konsorten“ stecken wollen, kann ich Sie davon auf diesem Weg nicht abhalten. Wenn Sie aus meinem Text nur herauslesen, was in Ihre Steppich-Schablone passt und Dinge hinein interpretieren, die dort gar nicht stehen, kann ich das auch nicht ändern. Es ist auch weder mein Ziel noch mein Auftrag, die ganze Welt zu retten. Aber das Feedback zu meinen Veranstaltungen zeigt, dass ich einen sehr großen Teil der Eltern mit meiner Arbeit erreiche. Vielleicht schauen Sie sich mal das Ergebnis von knapp 1800 Fragebögen zu meinen Elternabenden an: https://www.medien-sicher.de/wp-content/uploads/2011/02/Ergebnis-der-Evaluation-JMS-Elternabende-2011-150×150.jpg
Wenn Sie sich das Video meines Elternabends nicht ansehen wollen, um sich ein fundiertere Meinung bilden zu können, lasses Sie es eben bleiben. Mein seeliger Vater hat auch immer behauptet, der „Spiegel“ sei ein „Schundblatt“, ohne jemals eine einzige Ausgabe gelesen zu haben, von daher komme ich damit gut klar.
Wir können uns auch gerne persönlich treffen, um das Thema ausführlich zu besprechen – ich weiß nicht wie es Ihnen geht, mir geht die Schreiberei bei dem schönen Wetter auf die Nerven. Biergarten des Sherry&Port in Wiesbaden wäre eine nette Location.
Beste Grüße
Günter Steppich
Also wenn ich mich richtig erinnere, habe ich meinen Eltern weder etwas von den Pornoheftchen noch von Gesichtern des Todes erzählt, die in meiner Jugend „der heiße Scheiß“ waren. Der Fehler läge damit erneut nicht beim Endgerät oder dem Datenvertrag sondern an anderer Stelle. Und ich weiß ja nicht, was Sie meinen, was nachts so in Wiesbadener Parks los ist, aber der Kurpark ist nicht der Central und nachts sind unsere Kinder im Bett. Auch das wiederum liegt in der Verantwortung der Eltern. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass Sie mit aller Kraft ein Symptom – das Smartphone – bekämpfen, weil es Ihnen nicht möglich scheint, an den Ursachen zu arbeiten.
Die Offlineerfahrungen bekommen die Eltern aber meistens mit und können entsprechend gegensteuern. Im Offlineleben schützen Sie Ihre Kinder doch auch vor Dingen, denen sie alleine nicht gewachsen sind. Gleichzeitig machen Sie sie stark, um irgendwann alleine damit klar zu kommen. Genau das findet in Sachen Onlineleben aber leider nicht statt. Wer 10jährige mit einer Onlineflat in der Hosentasche durchs Leben laufen lässt, handelt ebenso grob fahrlässig wie Eltern, die ihr Kind nachts allein im Park spielen lassen. Wieviele Schüler haben schon einmal eine Enthauptung live gesehen? 8 % haben ein Gewaltvideo aufs Handy geschickt bekommen!
Auch wenn ich mich nochmals wiederhole: Schauen Sie sich meinen Elternabend online an, dann werden auch die inhaltlichen Missverständnisse und Fehlinterpretaionen aufhören. Und sicherlich werden Sie dann auch einen besseren Einblick in das Onlineleben von Schülern haben!
Nur 80 Prozent? Ich gehe davon aus, dass 100 Prozent der Jugendlichen schon negative Off-line-Erfahrungen gemacht haben – und die meisten davon ihren Eltern nichts erzählt haben. Aber vielleicht liegt genau hier unser fundamentaler Dissens. Sie nehmen an, dass Kinder- und Jugendliche vor den Medien geschützt werden müssen. Und Sie nehmen an, dass es gute – 13% Informationssuche – und schlechte bzw. „minderwertige“ Onlinenutzung gibt.
Ich dagegen nehme an, dass ich meine Kinder stark machen muss, damit sie mit Zuversicht der Welt, die sie umgibt, begegnen und Resilienzen gegen die darin wohnenden Grausamkeiten (und nicht nur deren Abbild) entwickeln können.
Zum Thema statistische Signifikanz gibt es seit Jahren Studien des MPFS (www.mpfs.de) in Form der KIM- und JIM-Studien: 80% der Jugendlichen geben darin an, negative Onlineerfahrungen gemacht zu haben, aber nur 8 % erzählen ihren Eltern davon. In Facebook etwa kursieren aktuell krasseste Fotos von verstümmelten Leichen im Nahen Osten, ich habe deswegen drei meiner Kontakte gelöscht, deren Posts in meiner Chronik eingeschlagen sind. Für Kinder gibt es keine Möglichkeit, sich selbst zuverlässig vor solchen Einschlägen zu schützen, die dauerhafte Narben in der Psyche hinterlassen können.
Der von Ihnen verlinkte Artikel ist für das Thema Jugendmedienschutz völlig irrelevant, da geht es um den Mangel an schulischer Medienbildung, den ich auch ganz klar sehe, aber das ist eine komplett andere Baustelle. Diese Vermischung zweier Themen erlebe ich in solchen leider Diskussionen immer wieder, aber das Online-Freizeitverhalten der Kids hat mit dem, was wir in der Schule in Sachen Medienbildung machen müssten (und nicht tun, weil es den meisten Lehrkräften an Medienkompetenz fehlt), nur eine äußerst kleine Schnittmenge. Wieder JIM-Studie: 13 % der Onlinenutzung dienen der Informationssuche, der Rest ist Bespaßung: Chatten, Spielen, Musik hören, Videos ansehen.
Ich kann es nur noch einmal wiederholen: Ich habe mir dieses Thema bzw. diese Aufgabe nicht aus den Fingern gesaugt, es wurde von meinen SchülerInnen an mich herangetragen, und wir haben an der Gutenbergschule im Vergleich zu anderen Schulen nur sehr wenige Probleme mit digitalen Vorfällen, weil wir mit Schülern, Eltern und Kollegium permanent im Dialog über diese Themen sind. Ein Standbein der Strategie ist, die Kids intensiv über die Risiken der Onlinenutzung aufzuklären, damit sie sich in bestimmten Bereichen selbst schützen können. Die andere, mindestens ebenso wichtige ist, den Eltern klar zu machen, dass für den Umgang mit Bildschirmgeräten, und insbesondere Smartphones und Co., ein gewisser Reifegrad erforderlich ist und dass man Kinder bis zu einem gewissen Alter vor Gefahren schützen muss, bis sie es dann irgendwann selbst können. Das können 5./6. Klässler definitiv nicht, das erlebe ich leider Woche für Woche. Der Schwerpunkt der aktuellen Sextingproblematik liegt in Klasse 7/8, danach wird es mit zunehmender Vernunft ruhiger.
Hallo Herr Steppich,
der Alltag der Unfallchirurgin ist auch ungeheuer blutig. Der Alltag ist es glücklicher Weise nicht – zumindest hier nicht. Ich fürchte fast, dass Sie – und mit Ihnen zahlreiche Kolleginnen und Kollegen sowie Eltern – quasi täglich in eine selbst gebaute Medienfalle tappen. Ja, es gibt die Fälle, die Sie schildern. Und ja, sie sind für die Betroffenen teilweise dramatisch, aber sie sind statistisch insignifikant. Heißt das, wir sollten uns nicht darum kümmern? Nein, im Gegenteil. So, wie wir uns im Zuge der zunehmenden Mobilität (Autofahren) um Sicherheit im Straßenverkehr bemüht haben – sehr erfolgreich, wenn man der Unfallstatistik glauben darf -, müssen wir uns auch der zunehmenden Digitalisierung annehmen – aber nicht mit den Rezepten des letzten Jahrhunderts.
Dazu eine aktuelle Anregung: http://bobblume.de/2014/07/31/die-alte-schule-wie-wir-die-kindern-verlieren/
Hallo Christine, die Dramen werden ja regelmäßig von den Kids an mich bzw Kollegen an anderen Schulen herangetragen, die dann mich hinzuziehen. Ich versuche nur, die Info weiterzugeben, damit sich dir Dramen reduzieren. Wenn Ihre Tochter die GBS schon hinter sich hat (wie meine Kinder auch, die natürlich auch souverän am Handyverbot vorbeigeschrieben haben…), hatte sie sicher in der 5. Klasse kein Smartphone mit Internet, das gab es damals noch gar nicht. Kinder mit Handys sind heute eine ganz andere Dimension als noch vor 10 Jahren.
Hallo Herr Steppich, meine Tochter ist zwar schon aus der GBS raus und war recht geübt dort unter dem Radar des umfassenden Handyverbots zu kommunizieren, ich kann aber Ihr Anliegen im Großen und Ganzen gut unterschreiben und halte es für richtig. Ich möchte mich aber nichtsdestotrotz Herrn Stoltenow anschließen, was Ihre Wortwahl angeht. Ein bisschen weniger Drama würde der Sache – auch wenn sie für betroffene Schüler in Einzelfällen sehr dramatisch sein kann – gut tun.
P.S.: Als Lehrer für Englisch und Sport kümmere ich mich seit inzwischen 10 Jahren um dieses Thema, weil in meiner Funktion als Vertrauenslehrer immer mehr SchülerInnen mit digitalen Problemen zu mir kamen, die sie ihren Eltern nicht anvertrauen wollten! Laut Umfragen sprechen keine 10 % der Kids mit ihren Eltern über Probleme, die sie mit/durch Bildschirmgeräte haben. Auf der anderen Seite stelle ich immer wieder fest, dass der größte Teil der Eltern überhaupt keine Vorstellunf davon hat, was „Internet“ für Kinder bedeutet und was auf den Handys der Kids so alles abgeht. Ich dagegen bekomme das tagtäglich mit und versuche, dieses Wissen an Eltern weiterzugeben. Fragen Sie doch mal in einer 9. Klasse nach, wer es für sinnvoll hält, dass Fünftklässler ein Smartphone mit Internetzugang bekommen. Ich habe das schon des öfteren gemacht und bisher noch keinen gefunden!
Hallo Herr Stoltenow,
danke für Ihr Feedback. Es geht nicht um „Angstmanagement“, und schon gar nicht professionelles, ich verdiene mit meinen Aktivitäten zum Jugendmedienschutz keinen zusätzlichen Cent. Auch persönliche „Zukunftsangst“ habe ich keine, ich bin seit 1991 online und komme damit bestens klar. Auch meine Kinder haben meine Medienerziehung unbeschadet überstanden, ich habe sie frühzeitig an Bildschirmmedien herangeführt, aber dabei immer ein Auge darauf gehabt, was altersgemäß ist. Ein Smartphone für 10jährige ist definitiv nicht altersgemäß und mein Angstmanagement – um bei diesem Begriff zu bleiben – ist aus zahllosen Vorfällen gewachsen, bei denen ich nur noch versuchen konnte, die Scherben zusammen zu kehren. Häufig ist da professionelle Hilfe von Kinderpsychologen erforderlich. Es gibt im Internet unzählige Inhalte, die Kindern Angst machen können und es gibt keine Möglichkeit, diese zuverlässig zu filtern. Kinder können sich mit Smartphones auch gegenseitig verletzen, weil sie noch gar nicht in der Lage sind, mit digitaler Kommunikation reflektiert umzugehen. Wenn Sie sich meinen im Artikel verlinkten Elternabend ansehen, verstehen Sie hoffentlich, worum es mir geht – nicht um pauschale Verbote, sondern um vernünftige Altersgrenzen. Wir lassen ja auch 10jährige aus gutem Grund nicht Auto fahren, wir lassen sie noch nicht einmal mit dem Fahrrad durch die Innenstadt fahren!
Beste Grüße
Günter Steppich
Lieber Herr Steppich,
es ist mir unverständlich, wie Sie an anderer Stelle das Buch „Netzgemüse“ empfehlen können und gleichzeitig Ihrer persönlichen Zukunftsangst in einer Nachricht an die Eltern der zukünftigen 5. Klässler derart freien Raum lassen. Es mutet fast wie Ironie der Geschichte an, dass Sie an einer Schule arbeiten, die nach Gutenberg benannt ist, denn wenn man in Ihrem Text das Wort „Smartphone“ durch das Wort „Druckschrift“ ersetzte, könnte man ihn ohne weiteres für ein Pamphlet aus dem 16. Jahrhundert gegen das neue Teufelszeug des Buchdrucks halten. Ich vermute, der Zuspruch, den Sie durch zahlreiche ebenso verunsicherte Eltern erhalten, ist sehr verführerisch. Doch so professionell Sie Ihr Angstmanagement auch betreiben, weder wir als Eltern noch die Lehrerschaft werden es sich leisten können, Verantwortung durch Verbote zu ersetzen.