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Folien zum „Forum Bildung“ im Hess. Landtag am 27.09.19

Wenn man im Medienraum des Landtags beim „Forum Bildung“ einen Vortrag über das Thema „Einsatz digitaler Medien in der Schule“ hält, das Landtags-Notebook – das unter Windows 7 mit Office 2007 läuft – nach dem Einschalten erst einmal 15 Minuten Updates installiert, der Techniker nicht weiß, ob es am Rednerpult auch ein Audiokabel gibt, Powerpoint mein Standardpasswort zum Öffnen der Präsentation (die sich dann immerhin schreibgeschützt öffnen lässt) nicht annimmt und sich auch die Referentenansicht von Powerpoint nicht aktivieren lässt, weil das Programm trotz angeschlossenem Beamer nur ein Display erkennt, wird direkt deutlich, wie es um Deutschland in Sachen IT bestellt ist. Nach dieser eindrucksvollen Demo hatte sich der Inhalt des Vortrags eigentlich schon selbst erklärt, und ich habe diese Steilvorlage dann auch dankbar als Einstieg in den Vortrag benutzt, denn solche digitalen Unterrichtskiller sind in den Schulen an der Tagesordnung…?

Der Vortrag drehte sich darum, welche Bedingungen aktuell an den hessischen Schulen in Bezug auf den Einsatz digitaler Medien herrschen, folgende Leitfragen hatte ich vorab bekommen:

  • Aktuelle Rahmenbedingungen?
  • Medienbildung unter diesen Bedingungen?
  • Chancengleichheit? [BYOD?]
  • Schattenseiten digitaler Medien?
  • Sensibilisierung/Schutz von Eltern, SchülerInnen und Lehrkräften?

Vortragsfolien => Landtag SPD Forum Bildung 27_09_2019_PDFVersion

Meine Kernaussagen:

  • Die digitale Situation ist massiv defizitär, Deutschland (das Problem ist kein exklusiv hessisches!) liegt im internationalen Vergleich mindestens 10 Jahre zurück, der größte Hemmschuh ist der amateurhafte IT-Support, der Lichtjahre von professionellen Standards entfernt ist.
  • BYOD (bring your own device) ist keine tragfähige Alternative, siehe Folien. In Hessen herrscht zudem Lehrmittelfreiheit, die Anschaffung eines teuren Endgeräts mit ausreichendem Datenvolumen, um damit in der Schule arbeiten zu können, ist unverhältnismäßig, vom massiven Ablenkungs- und Missbrauchspotential privater Handys im Unterricht mal ganz abgesehen.
  • Medienerziehung und Medienbildung sind auch 2019 nur Randthemen, v.a. weil Lehrkräfte dafür in ihrer Ausbildung nach wie vor nicht qualifiziert werden.
  • Die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen wird von Eltern und Schulen im digitalem Raum sich selbst überlassen und macht dort unangenehme Erfahrungen, die durch frühzeitige Internetaufklärung vermeidbar wären. Durch die zunehmende Ausstattung von Kindern und Jugendlichen mit Smartphones hat sich das Risikopotential noch drastisch erhöht.

Ernüchterndes Fazit: .de = digitales Entwicklungsland

Mein anschließender Besuch der Deutschen Schule Lissabon, an der ich in den Herbstferien als Referent zum pädagogischen Tag eingeladen war, hat diese Einschätzung dann eindrucksvoll bestätigt.

Allen deutschen BildungspolitikerInnen möchte ich dringend eine Gruppenreise zu einer beliebigen deutschen Auslandsschule empfehlen – gerne nach Lissabon, dort ist es aktuell noch schön warm
Dort lassen Sie sich bitte zeigen, wie diese Schule IT-mäßig aufgestellt ist, mit besonderem Fokus auf den professionellen technischen Support: 3 (drei!) und mehr hauptamtliche Vollzeit-ITler sind dort selbstverständlicher Standard.
Anschließend implementieren Sie diesen Standard bitte umgehend an allen innerdeutschen Schulen. Denn andernfalls wird der begeistert angepriesene Digitalpakt ein einziges Debakel, da die Schulen von noch mehr Hardware einfach nur noch mehr überfordert sein werden, solange kein ausgebildetes Fachpersonal dafür sorgt, dass die Technik zuverlässig läuft und die Lehrkräfte mit den Endgeräten kompetent umgehen können.
Allerdings werden Sie dann auch feststellen müssen, dass bezahlbare IT-Kräfte in dieser Größenordnung kaum zu finden sind – was sich wiederum dadurch erklärt, dass digitale Bildung an den Schulen seit Jahrzehnten sträflich vernachlässigt wird. Aktuell fehlen in Deutschland bereits zehntausende IT-Fachkräfte, Tendenz stark steigend, und dieser Teufelskreis lässt sich nur durch massive Investitionen in digitale Bildung und IT-Support stoppen!
Solange aber Lehrkräfte, die das zum Großteil gar nicht gelernt haben, mit lächerlicher Unterrichtsentlastung versuchen müssen, die IT einer Schule zu administrieren, wird sich REIN GAR NICHTS an der eklatant defizitären Situation ändern.
Zur Illustration hier mein => Erklärvideo zum Digitalpakt

P.S.: Dieses Problem ist weder partei- noch länderspezifisch! Ich habe schon 1999 ein Schreiben mit im Kern identischem Inhalt an den damaligen hessischen Kultusminister Holzapfel (SPD) gesendet, danach auch an diverse nachfolgende Ministerinnen anderer Parteien, ohne jemals eine Reaktion zu erhalten. Wenn Oppositionspolitiker sich aktuell über digitale Versäumnisse der Landesregierung empören, rufen sie mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Glashaus. Die FDP z.B. hat unter den Kultusministerinnen Henzler und Beer 5 Jahre lang die Chance liegen lassen, die Digitalisierung der Schulen voranzutreiben, markige Slogans a la „Überlassen wir die Digitalisierung nicht dem Rest der Welt“ (Beer, Europawahl 2019) hört man von dort erst seit Ende der Amtszeit. Auf Anfrage schicke ich die genannten Schreiben gerne zu…

P.P.S.: Die Frankfurter Rundschau bringt das gesamtdeutsche digitale Problem in ihrer heutigen Ausgabe (09.10.19) auf den Punkt: https://www.fr.de/politik/digitalisierung-musterschueler-entwicklungsland-13080481.html

Ein Gedanke zu „Folien zum „Forum Bildung“ im Hess. Landtag am 27.09.19

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