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Medienerziehung – wer ist zuständig?

Während sich bei Lehrerfortbildungen regelmäßig alle Anwesenden einig sind, dass Medienerziehung in erster Linie eine glasklare Elternaufgabe ist, bei der Schule bestenfalls unterstützen kann (vorausgesetzt, es finden sich digitalkompetente Lehrkräfte, die dafür Zeit zur Verfügung gestellt bekommen) entstehen bei Elternabenden immer wieder lebhafte Diskussionen darüber. Da hört man dann „das muss doch die Schule übernehmen!“, „warum macht denn die Politik nichts?“, „warum gibt es dagegen (die Internetnutzung von Kindern) kein Gesetz?“, „ich bin damit überfordert“, „das ist der Zeitgeist, das haben doch eh alle“, „ich habe dafür keine Zeit“, „das ist mir zu nervig“, „wenn jemand anderes das meinem Kind sagt, nimmt es das eher ernst“, „mein Kind hängt nur noch am Smartphone!“, etc. p.p…

Solche Aussagen klingen klingen wie ein Offenbarungseid!

Erziehung ist ohne wenn und aber primär Elternaufgabe, schließlich sind nur Eltern – im Gegensatz zu Lehrkräften – per Gesetz erziehungsberechtigt und auch -pflichtig. Auch juristisch sind allein die Eltern für die Internetnutzung ihrer Kinder verantwortlich, denn Minderjährige gehen mit SIM-Cards und Internetzugängen online, die auf Mama oder Papa angemeldet sind – die dann auch ermittelt werden, wenn ein Kind sich im Netz gesetzeswidrig verhalten hat.

Zwar haben die Schulen ebenfalls einen Erziehungsauftrag, der kommt aber nur zum Tragen, wenn Kinder von zuhause entsprechende Defizite mitbringen. Klassiker: Kinder, die nicht grüßen, nicht bitte und danke sagen, haben das offensichtlich zuhause nicht gelernt. Während die Schule in Sachen Umgangsformen durchaus Erfolge erzielen kann, sieht das beim Thema Medienerziehung ganz anders aus, denn hier müssten die Lehrkräfte Überzeugungsarbeit hinsichtlich der privaten Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen leisten: Chatregeln, Nutzungszeiten, handyfreie Zeiten (nachts, bei den Hausaufgaben, beim Essen, etc.), nicht altersgemäße Inhalte kontrollieren, et cetera. Und das nicht bei ein, zwei Kindern, sondern bei bis zu 30 pro Klasse! Medienerziehung ist ein Dauerthema, das man nicht mal eben im Rahmen einer Klassenleitungsstunde auffangen kann.

Auf der anderen Seite machen Schulen immer wieder die Erfahrung, dass nur wenige Eltern entsprechende Unterstützungsangebote wahrnehmen. Die Teilnahme an Medienelternabenden ist äußerst überschaubar, nicht selten liegen die Quoten hier unter 10%, obwohl man kaum Eltern trifft, die nicht über ständige Probleme mit der Mediennutzung ihrer Kinder berichten und sich nicht damit überfordert fühlen.

MEDIENerziehung ist ein Teilbereich von Erziehung, den Eltern nicht einfach „outsourcen“ können, weil sie sich damit nicht auskennen, weil sie sich für digitale Medien nicht interessieren oder weil sie meinen, dafür keine Zeit bzw. Lust zu haben. Eltern entscheiden ganz alleine darüber, welche Medien ihre Kinder in welchem Alter zur Verfügung haben, welche Nutzungsregeln dafür gelten und wie konsequent diese umgesetzt werden. Die massiven Probleme durch WhatsApp-Gruppen, die wir zunehmend schon in den Grundschulen beobachten, werden nicht durch die Schule verursacht, sondern durch Eltern, die ihren Kindern viel zu früh solche Möglichkeiten zur Verfügung stellen, den Kindern nicht beibringen, wie man verantwortungsvoll und anständig damit umgeht, und sich häufig auch überhaupt nicht darum kümmern, was ihre Kinder online tun, zu welchen Zeiten sie das tun, und mit wem sie da Kontakt haben. All dies können Lehrkräfte nicht beeinflussen, sie dürfen noch nicht einmal kontrollieren, welche Inhalte SchülerInnen auf ihren Smartphones haben.

Die Schulen kümmern sich zwangsläufig immer mehr um digitale Themen, weil die Onlinekommunikation zunehmend Einfluss auf das Klassenklima nimmt, aber sie sind nicht die Verursacher dieser Probleme, sondern die Leidtragenden. Wenn man Kindern erlaubt, digitale Gruppen zu bilden, ohne ihnen die dazu gehörigen Verhaltensregeln beizubringen und zu kontrollieren, ist es v.a. in fünften Klassen unausweichlich, dass die Hackordnung in der neu zusammengesetzten Klasse auch digital ausgekämpft wird. Mama und Papa dürfen ggf. in den Klassenchat schauen, Lehrkräfte dürfen das nicht.

Da aber offensichtlich sehr viele Eltern mit der Komplexität des Internets überfordert sind, sollte der Staat ein Eigeninteresse daran haben, hier zu unterstützen und präventiv einzuwirken, auch in die Verkehrserziehung mischt er sich aus ähnlichen Gründen ja seit vielen Jahrzehnten erfolgreich ein. Aber ohne die aktive Mitwirkung der Eltern, oder gar gegen ihren Willen, lässt sich in der Medienerziehung nur sehr wenig ausrichten.

Dazu kommt, dass die aktuelle Lehrergeneration in Sachen Medienkompetenz nicht besser aufgestellt ist als die Elterngeneration, im Gegenteil: Lehrkräfte in Deutschland sind nach wie vor eine Berufsgruppe mit unterdurchschnittlichem Interesse an Technik, auch viele angehende Lehrkräfte erweisen sich bei meinen Ausbildungsveranstaltungen als digital reichlich ahnungslos. Und da dieses Thema an den Universitäten immer noch kein Pflichtthema für Lehramtsstudierende ist, zeichnet sich aktuell auch keine entscheidende Besserung ab.

Fazit: Eltern, die vermeiden möchten, dass ihre Kinder digitale Bauchlandungen hinlegen, bleibt nichts anderes übrig, als sich kontinuierlich über das Thema Medienerziehung zu informieren und mit ihren Kindern digital auf Augenhöhe zu bleiben. Je früher man damit anfängt, desto einfacher ist das, aber wenn man seinen Kindern erlaubt, sich über Jahre einen Vorsprung zu verschaffen, ist das nicht mehr aufzuholen. Umfangreiche Hilfen dazu gibt es auf dieser Website, auf www.klicksafe.de und zahlreichen anderen Angeboten.

Faustregel: Je weniger man sich in der Thematik auskennt, desto sorgfältiger sollte man darüber nachdenken, in welchen Alter man seinem Kind welche digitalen Möglichkeiten zur Verfügung stellt. Ein internetfähiges Smartphone ist ein Notebook im Miniformat, ein mächtiges Werkzeug, mit dem man sich und anderen auch schaden kann, und bei dem man daher sehr genau abwägen muss, wann das Kind alt genug dafür ist, was man ihm dazu erklären muss, wie man es wirksam begleiten kann, und in welchem Alter es völlig selbständig damit umgehen kann.

Wenn die Schule ein Medienkonzept hat, das Eltern diesbezüglich unterstützt, kann das eine große Hilfe sein. Grundsätzlich davon ausgehen kann man aktuell aber in keinem deutschen Bundesland, von Schule zu Schule ist das höchst unterschiedlich.

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